Trainingstipps

 

Entnommen: von teckel-on-tour.de

Autorin: Antje Reinecke

 

Der Mythos von der Verstärkung der Angst beim Hund

Wie oft hört man von Hundetrainern oder anderen Hundehaltern, daß man seinen Hund, wenn dieser Angst zeigt, auf keinen Fall trösten dürfe, weil man den Hund sonst in seinem Angstverhalten bestätigen würde. Der Rat dieser Experten lautet dann folgerichtig auch, daß man seinen Hund mit seiner Angst ignorieren solle. Dabei stellt sich mir spontan die Frage, wie der Hund eine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Frauchen / Herrchen aufbauen soll, wenn er merkt, das diese ihn in für ihn angstvollen Situationen einfach "im Regen stehen" lassen?

 

Angst - ignorieren oder doch trösten?

Verhaltensforscher wissen seit fast 30 Jahren aus ihren Untersuchungen, daß es schwierig ist, den emotionalen Status, und die damit verbundenen unbewußten Verhaltensweisen eines Lebewesens durch Belohnung oder Strafe zu beeinflußen. Versuchen Sie doch einmal ihre Herzfrequenz oder andere physiologische Parameter durch Bio-Feedback zu beeinflussen! Keine leichte Aufgabe, nicht wahr?

Nehmen wir mal an, Ihr Hund leidet an Gewitterangst, und Sie halten ihn vorsichtig (ohne ihn dabei zu bedrängen!) im Arm und streicheln ihn dabei behutsam, so daß er sich beruhigt und emotional "runter kommt". Glauben Sie wirklich, daß dies sein Angstverhalten verstärkt? Denn genau DAS ist es, was positive Verstärkung bewirkt: Sie verstärkt die Häufigkeit, mit der eine bestimmte Verhaltensweise gezeigt wird.

Würden wir also durch positive Verstärkung tatsächlich das Angstverhalten bestätigen und somit verstäkren können, dann müßte Ihr Hund in Zukunft ängstlicher bei Gewitter werden. Das beobachtbare Verhalten unserer Hunde ist Ausdruck der Emotionen die sie durchleben. Intensiviert sich jedoch durch behutsames Streicheln das beobachtbare Angstverhalten Ihres Hundes nicht, dann verstärkt sich auch das Gefühl "Angst" gleichfalls nicht.

Es scheint einen festen Glauben daran zu geben, daß es möglich ist, Angstverhalten zu "belohnen" und zu "verstärken", ohne gleichzeitig die Emotion der Angst zu bestätigen. Dies mag für Menschen richtig sein. Wir alle kennen Menschen die eine sog. "Märtyrer-Mentalität" haben, die sich ängstlich und hilflos verhalten, nur um andere Menschen dazu zu bringen, ihnen Aufmerksamkeit zu geben, und sich um sie zu kümmern.

Solche Verhaltensweisen liegen jedoch Tieren fern. Tiere täuschen keine nicht vorhandenen Gefühle vor! Wenn sie sich nicht ängstlich fühlen, verhalten sie sich nicht so, als ob sie Angst hätten!

 

Forschungen zum Angstverhalten

In den 1940er Jahren untersuchten Verhaltensforscher das Verhalten von Ratten, denen man beigebracht hatte, in eine andere Käfighälfte zu springen, um einen Elektroschock zu vermeiden, der durch einen Hupton angekündigt wurde. In der 2. Phase dieses Experimentes änderte man die Situation derart, daß die Ratte nach dem Hupton ein Stück Käse bekam, während man den Elektroschock wegließ.

Nach vielfachen Wiederholungen des Experimentes, in denen nach dem Hupton ein Stück Käse in den Käfig fiel, auch wenn die Ratten weiterhin in die andere Käfighälfte wechselten, glauben Sie wirklich, daß die Ratten dabei ängstlicher wurden, und ihr Sprungverhalten steigerten? Denn genau DAS hätte passieren müssen, wenn es so wäre, daß das man das Sprungverhalten (und damit auch die Angst) durch die Gabe von Käse belohnen und verstärken könnte!

Was dann tatsächlich passierte, war allerdings das genaue Gegenteil: Die Angst der Ratten wurde geringer, das Sprungverhalten wurde nach kurzer Zeit komplett eingestellt, und sie begannen statt dessen den Käse zu essen.

Dieses Beispiel klassischer Konditionierung zeigt eindrücklich, das und wie man das Verhalten eines Tieres dadurch ändern kann, daß man seine Gemütsverfassung - also seinen emotionalen Status - ändert, und daß man mit solchen Maßnahmen keineswegs seine Angst und sein Angstverhalten belohnt und verstärkt!

 

Was ist Angst?

Evolutionsgeschichtlich hat Angst eine wichtige Funktion, als ein die Sinne schärfender Schutzmechanismus, der in tatsächlichen (oder subjektiv vermeindlichen) Gefahrensituationen ein angemeßenes Verhalten (z.B. Kampf (fight), Flucht (flight) oder Einfrieren (freeze)) einleitet. Diese körpereigene "Alarmanlage" ist bei den meisten Tieren sehr empfindlich eingestellt, da der Energieaufwand für z.B. eine Flucht relativ gering ist, aber die Auswirkungen einer übersehenen Bedrohung äußerst folgenschwere Auswirkungen (schwere Verletzungen und / oder den Tod) nach sich ziehen können.

Die Bewertung, ob etwas gefährlich ist oder nicht, findet in den stammesgeschichtlich ältesten Teilen des Gehirns statt: In der Amygdala (auch "Sitz der Angst" genannt), die Teil des Limbischen Systems ist. Dieser Teil des Gehirns entzieht sich der bewußten Kontrolle durch den Verstand - sowohl beim Tier, als auch beim Menschen. Wird dort etwas als gefährlich eingestuft, erfolgt darauf sofort eine körperliche Reaktion, lange bevor dieser Reiz in die Teile des Gehirns weitergeleitet wird, die bewußt darauf reagieren könnten.

 

Emotionen und wie man sie verstärken kann

Ja, man kann Emotionen verstärken (also doch! ;o).

Angenehme Emotionen z.B. können dadurch verstärkt werden, das weitere, emotional angenehme Dinge in dieser Situation stattfinden. Also wenn Sie z.B. gemütlich ein leckeres Eis genießen, und man Ihnen zusätzlich noch einen Klecks Sahne draufgibt, werden Sie diese Situation als noch angenehmer empfinden.

Wenn Ihr Hund genüßlich in der Sonne liegt und sich entspannt, und Sie ihm zusätzlich jetzt noch eines seiner Lieblingsleckerlies hinlegen, welches er dann genüßlich verputzen kann, wird er sich mit großer Sicherheit jetzt noch wohler in seinem Fell fühlen.

Dasselbe gilt auch für unangenehme Emotionen. Steckt man in einer unangenehmen Situation, und passiert dann etwas Angenehmes, wird man diese Situation nicht mehr ganz so unangenehm finden. Wenn Sie z.B. Ihren Wagen aus der Werkstatt abholen wollen, und man Ihnen sagt, daß sich die Reparaturzeit verzögert hat, und Ihr Wagen jetzt noch nicht fertig ist, werden Sie diese unangenehme Situation sicherlich etwas weniger unangenehm finden, wenn man Ihnen nun eine heiße Tasse Kaffee und ein paar Kekse hinstellt. Sie müssen zwar immer noch warten, aber die freundliche Geste des Personals macht die ärgerliche Situation etwas erträglicher.

Genauso geht es auch unseren Hunden: Stecken sie in einer unangenehmen, vielleicht angstauslösenden Situation, und man tut dem Hund nun etwas für ihn sehr Angenehmes (und DAS ist wichtig!!), dann wird auch er sich ein klein bißchen besser in dieser Situation fühlen.

Hat Ihr Hund z.B. Angst zum Tierarzt zu gehen, dann können Sie ihm z.B. dadurch helfen, daß sie - ohne konkrete Behandlungsabsichten - mit ihm öfter mal die Praxis besuchen, und dem Hund dort Zeit geben, alles zu betrachten, während sie ihm für seinen Mut einfach sehr schmackhafte Leckerchen geben. Machen Sie dies öfter, wird ihr Hund den Besuch des Tierarztes mit etwas Angenehmem verknüpfen und letztlich - wenn vielleicht auch nicht mit wahrer Begeisterung - den Tierarzt als nicht mehr ganz so unangenehm empfinden.

Neurobiologisch gesehen, ist es unmöglich, Angst zu verstärken, indem man dem Hund in dieser Situation etwas Gutes, und für ihn angenehmes, tut! Denn: Emotionen (wie z.B. Angst) verstärken sich NICHT, wenn eine gegenläufige Emotion dazu kommt.

 

Was also tun, wenn der Hund Angst hat?

Das Wichtigste in dieser Situation ist: Was immer man tut (Trost spenden, Zuwendung geben etc.) in dieser Situation, MUSS für den Hund in dieser Situation ANGENEHM sein!

Je nach Hund ist dies natürlich unterschiedlich, und je nach den Vorlieben des einzelnes Tieres, gibt es viele Möglichkeiten: Beruhigen durch Worte, sanftes beruhigendes Streicheln, Maßagen, einfach nur berühren, Leckerchen geben...

Berührungen sollten in dieser Situation nicht hektisch und rasch ausgeführt werden. Besser ist es langsame, ruhige und lange Berührungen auszuführen, weil diese generell beruhigender sind. Kurze und hektische Berührungen aktivieren eher. Manchem Hund hilft Bewegung, Futter oder Veränderung der Umgebung (oder kurz gesagt: Den Hund zumindest ein stückweit aus der angstvollen Situation herausführen).

 

Und was kommt danach?

Wenn es um Ängste geht, die objektiv betrachtet keine Lebensgefahr für den Hund bedeuten, sollte man nach gemeinsamem Überstehen der akuten Situation mit dem Hund ein behutsames und sinnvolles Training aufbauen, in welchem er lernen kann, mit dieser Situation und grundsätzlich mit seinen Emotionen umzugehen. Je länger Ängste ohne "Behandlung" bleiben, desto schlimmer können sie werden, und sich generalisieren, d.h. auch auf andere Bereiche des Lebens ausdehnen, und im schlimmsten Falle sogar in Aggression umschlagen.

Hier raten wir Ihnen in jedem Falle, sich einen guten Hundetrainer zu wählen, der in diesem Bereich ausschließlich über positive Verstärkung arbeitet, und der Sie anleitet, wie Sie gemeinsam mit Ihrem Hund diese Ängste und Situationen bewältigen können!

 

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